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Fair zur Natur im Februar

Gemeinsam für die Integration

 

Das Thema Integration wird seit einiger Zeit immer wieder sehr heiß diskutiert und hat durch Politik und Medien leider einen negativen Beigeschmack bekommen. Dabei läge genau hier der Schlüssel für eine positive und gemeinsame Zukunft, von der wir alle profitieren können. Wir haben darüber mit Yurdagül Sener von P3tv gesprochen. Sie ist Redakteurin des Sendeformates “Zweite Heimat”. Als gebürtige Kurdin, die seit ihrem 12. Lebensjahr in Österreich lebt und als Journalistin und Lebens- & Sozialberaterin tätig ist, kennt sie beide Seiten.  

Naturfreunde: Danke, dass du dir für unser Gespräch Zeit genommen hast, Gül! Durch deinen Beruf hast du ja immer sehr viel zu tun. Beschreibe bitte kurz das Sendeformat "Zweite Heimat". Worum geht es? Wer wird angesprochen? Welche Inhalte habt ihr?

 

Gül: Das Sendeformat Zweite Heimat (ZWHE) wurde 2013 in Zusammenarbeit mit P3tv Senderchef Rudolf Vajda und mir aus der Taufe gehoben. Noch im gleichen Jahr konnten wir mit diesem Sendeformat den Journalistenpreis für Integration gewinnen. Das Ziel von ZWHE ist es, Menschen vorzustellen, deren Wurzeln nicht in Österreich liegen, die aber für die Gesellschaft da sind und tolle Dinge tun. Sport, Wirtschaft, Kultur... all diese Themen kommen in unseren Berichten vor. Für uns ist es wichtig, diese Menschen vorzustellen, denn immerhin leben rund 1,8 Millionen Menschen in Österreich mit Migrationshintergrund.

 

 

Naturfreunde: Was kann das Format "Zweite Heimat" zum Thema Integration beitragen?

 

Gül: Das Sendeformat bietet Menschen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen, eine Plattform. Zum anderen zeigt ZWHE auf, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht von wo er kommt oder welche Religion er hat.

 

 

Naturfreunde: Wie siehst du persönlich das Thema Integration? (Wie wird es in den Nachrichten dargestellt und wie ist es tatsächlich?)

 

Gül: Puh, das ist eine schwierige Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Grundsätzlich muss erst einmal festgehalten werden, dass sich jeder Mensch, der sich für Österreich oder Europa entschieden hat, an die Regeln in dem jeweiligen Land halten muss. Nur so kann ein gutes Zusammenleben mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen funktionieren. In Österreich leben bereits sehr viele Migranten, die sich wohl fühlen und die integriert sind - auch, wenn das manche Medien und Politiker gerne etwas anderes darstellen. Ich habe das Gefühl, das Thema Integration und Migration wurde hier sehr mißbraucht - Stichwort: Flüchtlingswelle -  und jetzt haben wir das Endprodukt.

 

 

Naturfreunde: Gibt es Probleme beim Thema Integration? Was könnte man hier besser machen?

 

Gül: Die Probleme, die ich hier immer wieder sehe, sind auf beiden Seiten zu finden. Manchmal sind es die Migranten selbst: Sie verlangen vom Staat vieles, sind selbst aber nicht bereit, etwas dafür zu tun. Zum anderen finden wir die Probleme bei den Medien, die immer wieder alle in einem Topf werfen und pauschal verurteilen. Das einzige, was hier meiner Meinung nach helfen würde, ist Ehrlichkeit, Aufklärung und gegenseitiger Respekt.

 

 

Naturfreunde: Welche Vorurteile hörst du oft, wenn es um Integration und Migration geht?

 

Gül: Ausländer sind faul, wollen nicht arbeiten, sind wollen alles bekommen und nichts dafür tun. Sicher gibt es auch Migranten, die seit Jahren hier leben und nicht arbeiten wollen, aber das machen manche Österreicher auch. Ich denke, es ist eine Charaktersache, unabhängig von Herkunft, Kultur und Religion.

 

 

Naturfreunde: Haben wir ein Flüchtlings- bzw. Integrationsproblem?

 

Gül: Dieser Punkt ist differenziert zu sehen. Die so genannte “Flüchtlingwelle” hatten wir 2015. Da waren kurzzeitig alle überfordert. Derzeit kommen aber kaum mehr Flüchtlinge nach Österreich. Das Problem, das ich sehe, ist, dass die Flüchtlinge aus 2015 hier bei uns kaum eine Perspektive sehen. Zum einen verlangt der Staat, dass die Menschen deutsch lernen sollen. Die Unterkünfte, in denen Asylsuchende untergebracht sind, sind aber irgendwo im Nirgendwo, wo die Menschen kaum Zugang zu Deutschkursen haben. Abgesehen davon, dass ein Großteil dieser Menschen traumatisiert ist und es dadurch generell schwer fällt, eine fremde Sprache zu lernen. Hier wäre der Staat gefordert - man sollte besser versuchen, Probleme wie diese praktisch zu lösen, anstatt die Angst vor den Migranten zu schüren.

 

 

Naturfreunde: Was könnte die Politik besser machen, damit Integration funktioniert?

 

Gül: Ich denke, dass die Politiker schon sehr viel falsch gemacht haben und es von Tag zu Tag schwieriger wird, diesen Weg umzudrehen. Das wichtigste wäre, Menschen mit Migrationshintergrund nicht als Feinde des Staates zu sehen. Asylanträge professioneller und rascher abzuwickeln, um Menschen, die sich integrieren wollen, eine Chance zu geben.

 

 

Naturfreunde: Was kann jede/r einzelne von uns dazu beitragen, damit Integration besser funktioniert?

 

Gül: Am besten wäre es, auf Menschen mit Migrationshintergrund offen zuzugehen. Sich selbst eine Meinung zu bilden und nicht nur das glauben, was in manchen Medien geschrieben wird. Offen für Neues zu sein und zu unterscheiden zwischen jenen, die unser System ausnützen und jenen, die der Gesellschaft etwas  zurück geben wollen. Aber da müssen sich die Migranten auch selbst bemühen. Auch sie müssen offen sein und sich integrieren. Leider sind Migranten selten in Österreichischen Vereinen aktiv – mit Ausnahme von Sportvereinen. Das könnte aber zum Beispiel eine tolle Möglichkeit sein, um sich gegenseitig kennenzulernen.

 

 

Naturfreunde: Warum wird das Thema Migration so negativ dargestellt?

 

Gül: Es ist in erster Linie die Angst vor Unbekanntem: Religion, Islam, die Sprache die wir in Österreich nicht verstehen und bei Muslima ist es auch die Bekleidung, die bei vielen Menschen Unsicherheit und Abneigung erzeugt. Diese Angst machen sich manche Medien zu Nutzen, denn sie erzeugt hohe Leserzahlen.

 

 

Naturfreunde: Wie geht es Menschen, die geflüchtet sind oder die auch schon länger in Österreich leben und sich integrieren wollen? Womit haben sie zu kämpfen?

 

Gül: Das ist unterschiedlich zu sehen. Manche schaffen diesen Prozess alleine, andere schaffen es nur mit Unterstützung. Das Hauptproblem ist in der Arbeitssuche zu finden – vor allem dann, wenn die berufliche Qualifikation sowie die Sprache nicht ausreichen. Hatte man im Heimatland einen gut bezahlten Job – als Lehrer, Krankenschwester, Sekretärin – so werden diese Qualifikationen in Österreich erst anerkannt, wenn man diese durch österreichische Zeugnisse belegen kann. Das kann man aber erst, wenn man die deutsche Sprache perfekt beherrscht. Dieser Prozess ist sehr langwierig und viele Migranten schaffen diese Hürde nicht.   

 

 

Naturfreunde: Hattest du persönlich schon mit Vorurteilen zu kämpfen?

 

Gül: Ja, aber vor allem durch meine eigenen türkisch/kurdischen Landsleute weil ich mich hier in Österreich angepasst habe. An die Lebensweise und weil ich auch die mir in der Türkei verordnete Religion nicht akzeptiere. Ich denke aber, da spielt ein gewisser Neid mit.

 

 

Naturfreunde: Wie kann jede/r von uns geflüchteten Menschen helfen?

 

Gül: Ich denke, wir können sie bei der Jobsuche oder beim Lernen der Sprache unterstützen. Das wäre für beide Seiten die perfekte Form der Integration - man lernt miteinander und voneinander und trägt damit zu einer gemeinsamen und guten Zukunft bei.

 

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