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Zanskartrek - Die zwei Seiten einer Straße

Zanskar in der indischen Region Ladakh ist eine der ursprünglichsten Gegenden der Welt, mit wilden Schluchten, hohen Pässen und einsam liegenden Klöstern. Durch diese phantastische Landschaft führt eine berühmte Trekkingtour. Doch schon bald wird es vom Zanskartrek nur mehr einige unberührte Tagesetappen rund um Lingshed geben, weil von Padum bis Darcha eine Straße gebaut wird.

 

Wenn gerade noch ein Berghang knapp bei der linken Fensterreihe vorbeigezogen ist und dann die Schubumkehr einen in die Gurte drückt, ja dann landet man gerade auf der extrem kurzen Landebahn in Leh, in 3500 m in Nordindien. Die Anspannung lässt nach, sobald die Maschine wirklich steht, doch gleich beginnt die nächste. Einige Schritte in der Empfangshalle, Formulare ausfüllen, Gepäck vom Förderband heben - spätestens jetzt merkt man, dass es hier wenig Luft gibt und es Zeit wird für Langsamkeit, Entschleunigung oder, da man eben im buddhistischen Kulturkreis gelandet ist, für Achtsamkeit bzw. Bedachtsamkeit.

 

Es ist das vierte Mal, dass es Christine und mich in dieses Land zieht. Wir wissen, die ersten Tage gehören der Akklimatisation. Das Erstgespräch mit unserer Agentur vor Ort macht klar, dass unser gebuchter Trek nicht möglich ist: Klimaänderung auch hier, die Route durch Schluchten ist nicht möglich, die Wasserstände sind zu hoch, der Winter hat zu lange gedauert. Daher planen wir auf den klassischen Zanskartrek um. Den ersten Teil bis Lingshed lernten wir bereits vor acht Jahren kennen. Viel hat sich seither nicht geändert. Doch man hat mit dem Bau einer Straße begonnen, die dem Zanskartrek ein jähes Ende bereiten und einmal vermutlich eher Enduro-FahrerInnen oder MountainbikerInnen anziehen wird. Denn phantastisch bleibt die Landschaft entlang des alten Handelsweges, der durch enge Schluchten und über hohe Pässe über den Zanskar- und Himalaya-Hauptkamm führt, allemal.

 

Recht auf Entwicklung

Vor Jahren hatte ich ein Gespräch mit Geshe Ngawang Jangchup, dem ehemaligen Abt des Klosters von Lingshed, in dem ich es bedauerte, dass in dieser herrlichen Landschaft bald eine Straße verlaufen sollte. Er machte mir aber rasch klar, dass die BewohnerInnen auch ein Recht auf eine Versorgung mittels Straße haben und diese für eine Entwicklung dringend nötig sei, nicht nur im Ernstfall. Und siehe da: Wo wir das letzte Mal durch eine wildromantische Schlucht gewandert waren, fahren wir nun dank Dynamit in einem vierradgetriebenen Jeep bis Photoksar. Bilder von Einst und Jetzt stimmen nachdenklich, wenngleich Touristen oft die romantische Brille aufsetzen und die kurzfristigen Entbehrungen sicher nicht mit den realen, harten Lebensbedingungen der Bevölkerung tauschen wollen. Bisher waren die Menschen hier auf ihre autarke Landwirtschaft angewiesen, und es gab nur die Möglichkeit, Bauer oder Mönch zu werden. Mit einem Rückflugticket im Rucksack vergisst man auch zu leicht die fast sieben Monate dauernden winterlichen Bedingungen mit bis zu minus 45° C in dieser kargen Gegend.

 

Unsere Tour beginnt!

Wir bewundern den einmaligen Sonnenuntergang in Photoksar mit der wildzerklüfteten Landschaft dahinter, bevor uns die Kälte ins Zelt treibt. Knapp vor dem Finsterwerden kommt noch unser „Horseman“ mit seinen Pferden, somit ist unsere Mannschaft mit Guide und Koch komplett, und wir können am nächsten Tag unsere 17-tägige Trekkingtour beginnen. Jeden Tag ziehen wir bergauf, bergab, durchschnittlich fünf Stunden weiter, bevor wir wieder die Zelte aufschlagen. Der Zeltplatz ist bestimmt durch ausreichend Futter für die Pferde und eine Quelle oder einen Flusslauf. Durch diesen gleichmäßigen Rhythmus wird unser Kopf frei von alten Gedanken, es zählt nur mehr die Gegenwart, die Landschaft, die Menschen, die Bewegung und auch die Müdigkeit.

Wir haben Glück: Als wir drei Tage später vormittags im Kloster von Lingshed ankommen, wird gerade mittels posaunenartiger Hörner namens Tung Chens eine Vollmond-Puja, eine feierliche buddhistische Zeremonie, angekündigt. Wir fragen, ob wir daran teilnehmen dürfen. Dies wird bejaht, und wir folgen der Zeremonie in der Gompa (Klosterzentrum). Von früheren Klosterbesuchen wissen wir, dass einem gerne auch die verschiedenen Räumlichkeiten des Klosters gezeigt werden. Manche Bereiche sind jedoch nicht zugänglich, speziell, wenn diese der Verehrung regionaler Gottheiten aus der vorbuddhistischen Zeit dienen. Leider ist es mit der Achtsamkeit vieler Touristinnen/Touristen im Indus-Tal rund um Leh gegenüber dieser Offenheit der Mönche nicht weit her. Sie fotografieren während der spirituellen Zeremonien wie wild, und dies führt natürlich zu Einschränkungen.

Wesentlich bei Besuchen in Klöstern ist eine passende Bekleidung, mit der man längere Zeit am Boden im Schneidersitz durchhält. Denn ausgestreckte Beine sind tabu. Aber auch außerhalb der Klöster ist eine entsprechende Bekleidung ratsam. Da noch ein langer Marsch vor uns liegt, können wir leider nicht bis zum Ende der Puja bleiben. Zu gerne hätte ich dem Obertongesang der Mönche noch länger gelauscht.

 

Anstrengend, aber wunderschön

Der Weiterweg führt uns stets durch abwechslungsreiche beeindruckende Landschaften. So schön der Weg ist, durch die Hitze tagsüber mit Staub und Sturm und die Kälte um den Gefrierpunkt in der Nacht zehren die fast drei Wochen in einer Höhenlage zwischen 3600 bis 5100 m doch beträchtlich und erfordern des Öfteren volle Konzentration und Trittsicherheit bei ausgesetzten Passagen. Um unseren geplanten Rückflug nicht zu verpassen, legen wir die Strecke von Zangla bis Reru in einem Jeep zurück. Die weiteren Tagesetappen bieten wieder wunderschöne Eindrücke. Besonders der Weg von Purne zum traumhaft gelegenen Kloster Phugtal führt durch ein landschaftliches Kleinod, wären da nicht die vielen kleinen Bauabschnitte für eine neue Straße, die uns tief betroffen machen. Diese Straße entsteht nämlich in reiner Handarbeit! Die Bauarbeiter schlafen unter Planen gleich neben der entstehenden Straße in 3900 m – vielleicht sind sie zufrieden, dass sie überhaupt Arbeit haben.

Auf dem Weg zum letzten Pass, dem Shingo La, können wir in absolut karger Umgebung Blauen Mohn bewundern. Bald nach dem Pass müssen wir einen sehr tiefen, reißenden Bach queren, bevor wir die Straße erreichen, die von Darcha nun schon fast bis zum Shingo La reicht. Auf dieser Seite wird mit großer Vehemenz mit Schubraupen gearbeitet. In wenigen Jahren wird es somit eine durchgehende Straße von Padum nach Darcha und Manali geben. Vom gesamten Zanskartrek werden dann nur mehr einige Tagesetappen rund um Lingshed unberührt erhalten sein.

Nützliche Infos

Beste Reisezeit: Juli bis Mitte September

Voraussetzungen: sehr gute Trittsicherheit, Ausdauer sowie Trekking- und Höhenerfahrung

Empfehlenswert: ausreichende mehrtägige Akklimatisation in Leh und Umgebung vor Beginn der Trekkingtour

Dauer: Für die gesamte Reise sollte man ca. 28 Tage einplanen, davon ca. 17 Tage für die Trekkingtour.

Agenturen: z. B. www.weltweitwandern.at oder vor Ort in Leh www.dreamladakh.com (nur englischsprachig)

Literatur: „Zanskar im Himalaya. Reise in die Gegenwart“ von Carl-Heinz Hoffmann und Franz Aberham, 1996, Living Colors; das Buch ist zwar nicht mehr im Buchhandel erhältlich, man kann es aber über image@aberhamphoto.at zum Preis von 20 € plus Versandkosten bestellen.

„Zanskar. Trekking in Ladakh“, Trekking Map and Complete Guide, von Partha S. Banerjee, Milestone Himalayan Series; Bestellung: www.milestoneguides.com/zanskar.html

Karte: Ladakh and Zanskar, Trekking Map, Milestone Himalayan Series;

Bestellung: www.milestoneguides.com/ladakh-zanskar-map.html

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