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Skitouren in Norwegen

Alle sprechen von den beeindruckenden, einsamen Skitouren im hohen Norden, der fantastischen Szenerie entlang der Fjorde und den herrlichen Abfahrten. Lohnt es sich wirklich, 3500 km weit zu reisen, um das zu erleben?

Zwischenstopp Oslo. Aus den Lautsprechern des Flugzeugs nach Tromsø ertönt: „Ready for take-off!“ Der ganze Flieger ist voller SkitourengeherInnen. Oh, mein Gott! Die wollen doch nicht alle zu „meinen“ einsamen Skitouren am Lyngenfjord? Nach kurzem Smalltalk-Check kommt die Ernüchterung: Ja, die wollen wirklich auch alle dorthin! So der ernüchternde Start meiner Reise mit vier Freunden in den Norden - in der Hoffnung, die einsamsten Skitouren zu erleben. Doch dazu später, weil ja alles ganz anders …

 

Lyngenalpen

Norwegen hat unzählige Gebiete, die Skitourenfans ein wunderbares Umfeld bieten. Die bekanntesten sind die Lofoten und der Lyngenfjord,. Die Lyngenalpen, die auch unser Reiseziel waren, liegen in etwa 300 km nördlich des Polarkreises, um den 70. Breitengrad. Eine Skitourenreise im Norden Norwegens sollte man daher nicht im mitteleuropäischen Hochwinter unternehmen. Es sei denn, man liebt es, im Finsteren durch die Wälder zu streifen. Im Januar gibt es kaum Tageslicht, lediglich um die Mittagsstunden dämmert es. Anfang Februar kommt langsam die Sonne zum Vorschein, doch mit vier bis fünf Stunden sind die Tage noch recht kurz. Ende April hingegen hat man schon zwanzig Stunden Tageslicht zur Verfügung.

 

Grandiose Landschaft

In Tromsø angekommen, holen wir uns - wie alle anderen Skitourenfluggäste - unser Mietauto. Wir zwängen uns zu viert und mit viel Gepäck in einen kleinen Kombi und machen uns auf den Weg nach Lyngseidet, unseren Ausgangspunkt am Lyngenfjord. Hotels und Pensionen sind in dieser Gegend Mangelware. Meist quartiert man sich in kleinen Hütten oder Lodges ein. Viele nutzen auch die Gelegenheit, mit dem Schiff unterwegs zu sein und darauf zu wohnen. Beides hat seinen Reiz sowie Vor- und Nachteile.

Während der Autofahrt wird uns schon eines klar: Die Landschaft ist in Wirklichkeit noch um vieles grandioser und schöner, als in Berichten und Fotos dokumentiert wird! Der für uns fremde Kontrast zwischen Fjorden, Bergen und Schnee ist schlichtweg atemberauend. Die Gletscher reichen teilweise bis auf 400 m herab. Es könnte nicht schöner sein!

Übrigens: Sprechen Norweger vom Skifahren, denken sie nicht an Lifte oder Pisten. Nein! Unter Skifahren versteht man hier Skitourengehen.

 

Genusshänge mit Fjordblick

Die Tourenauswahl ist enorm. Am Lyngenfjord gibt es Touren mit 1000 bis 1500 Hm. Die Ausganspunkte liegen meist auf Meeresniveau. Man startet entweder von einem Boot aus oder, wenn man mit dem Auto unterwegs ist, von einer meist im Uferbereich verlaufenden Straße. Die Namen der Gipfel klingen geheimnisvoll: Tafeltinden, Kjelvagtinden, Storgalten, Fastdalstinden, Giilavárri, Daltinden etc. Mit 1833 m ist der Jiekkevarri der höchste der Region. Mit seinem vergletscherten Gipfelaufbau ist er ein imposantes Skitourenziel.

Die Lyngenalpen mit ihren weiten Gletschern, supersteilen Flanken und rassigen Couloirs sind ein echtes Eldorado für SkitourengeherInnen. Besonders beeindruckend sind die schier endlos langen und gleichmäßig sanften Genusshänge mit Blick auf den Fjord. Der einzige Wermutstropfen ist die Birkenwaldzone, die sich vom Ufer weg 200 Hm hochzieht. Hier kann es schon mal passieren, auf relativ eng gesteckte Torläufe zu treffen. Doch in Anbetracht der herrlichen, langen Abfahrten ist das ein sehr vernachlässigbarer Wermutstropfen und keinesfalls mit unseren heimischen Bewuchszonen vergleichbar.

 

Unverspurte Abfahrten

Skitourenurlaube in Norwegen sind längst kein Geheimtipp mehr. Wie eingangs erwähnt, kommen ganze Flugzeuge voller SkitourengeherInnen hierher. Doch wo sind sie alle? Und wo verstecken sich die Norweger???

Mit seinen 121 km ist der Lyngenfjord der fünftlängste Fjord Norwegens. Die Kommune Lyngen hat eine Bevölkerungsdichte von nur vier Einwohnern pro km2. Zum Vergleich: Österreichs Bevölkerungsdichte beläuft sich auf ca. 102 Einwohner pro km2. „Ich geh mal schnell zum Nachbarn!“ kann also in Lyngen mitunter etwas länger dauern …

Begegnungen mit Tourengehern sind äußerst selten. So zogen wir meist ganz allein unsere Spur und freuten uns schon während des Aufstiegs auf eine fantastische, unverspurte Abfahrt.

 

Magische Berge

Man muss es gesehen haben, um zu verstehen, was die BewohnerInnen der Lyngenhalbinsel meinen, wenn sie von ihren „magischen“ Bergen reden. Es ist diese einmalige Kombination aus wilder Natur und der besonderen Lichtverhältnisse. Hat man Glück, kann man in klaren Nächten auch das mystische Naturschauspiel der Nordlichter bestaunen.

Kurzum: Wir hatten eine Reise, die vor Kontrasten, tollen Stimmungen und genussreichen Abfahrten nur so glänzte. Die Antwort auf die anfangs gestellte Frage lautet daher: 3500 km in den Norden Norwegens zu reisen, um dort Ski zu fahren, lohnt sich allemal!

 

 

Text und Fotos: Martin Edlinger, staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Leiter der Abteilung Bergsport der Naturfreunde Österreich

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