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Sicherungsgeräte in Diskussion

Wer soll welche Geräte verwenden? Der folgende Artikel informiert u. a. über die Kriterien für die Auswahl von Sicherungsgeräten, über die Methodik der Anfängerschulung und über die Sicherungsprinzipien. Denn die effektivste Art, Kletterunfälle zu vermeiden, ist das Minimieren der Fehlbedienungen!

 

Text: Sportkletterteam der Naturfreunde Österreich

 

Klettern boomt: In den Kletterhallen und –gärten bleibt beinahe kein Umlenker bzw. keine Route mehr frei. Immer mehr Menschen sind von dieser faszinierenden Sportart begeistert. Neben den vielen positiven Aspekten – von Fitness bis zu mentalen Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen des Therapiekletterns  – birgt das Klettern aber auch Risiken. Unfälle mit mehr oder weniger gravierenden Folgen werden auch in Zukunft nicht vollständig auszuschließen sein, auch nicht mit dem Verbot einzelner Sicherungsgeräte. Liegt das Risiko doch in den meisten Fällen im Fehlverhalten der handelnden Personen.

 

Ein aktuell heiß diskutiertes Thema ist der Einsatz von Sicherungsgeräten mit Beiträgen in der alpinen Fachliteratur („berg und steigen“ 2014/2015, und in „klettern“) und div. Internetseiten bzw. –plattformen. Ist das Sichern mit dem (vormals hochgelobten) Tuber bereits verantwortungslos und soll dieser aus Kursen bzw. einem Großteil des Sicherungsgeschehens verschwinden? Oder darf man dem verantwortungs- und risikobewussten Kletterer nach detaillierter Wissensvermittlung, intensiver Einschulung und Training die Auswahl des für seine Tätigkeit am besten geeigneten Sicherungsgerätes zutrauen?

 

Nähert man sich diesem Thema aus einer mehrperspektivischen Sicht erscheint eine differenzierte Bewertung je nach Einsatzbereich und Situation nötig. Damit stellen sich u.a. folgende wichtige Fragen:

  • Welche Sicherungsgeräte sollen in (Anfänger-)Kursen verwendet werden?
  • Soll man im Sinne einer risikobewussten Vorgangsweise in Kursen die Handhabung mehrere Sicherungsgeräte unterrichten?
  • Welche Empfehlungen gibt es für die Zeit nach dem Kurs/nach der Ausbildung?
  • Was empfehle ich für welche Zielgruppe?

 

 

Empfehlung des Naturfreunde-Ausbildungsteams

Alexis Zajetz, Sportkletterreferent der Naturfreunde Österreich: „Unfälle basieren auf Fehlbedienungen. Diese sind mit jedem Gerät möglich, werden also auch weiter mit jedem Gerät passieren. Die effektivste Art Unfälle zu vermeiden, ist das Minimieren die Fehlbedienungen. Das wirkt nämlich bei allen Geräten und allen die sichern! Die richtige Bedienung ist wichtiger als die Art des Gerätes, das verwendet wird.“

Das Ausbildungsteam der Naturfreunde Österreich empfiehlt für das Klettern in der Halle und für Baseclimbs am Felsen (Der Sichernde steht am Wandfuß; der Kletterer - Toprope oder Lead - klettert max. die halbe Länge des verwendeten Seils bis zum Umlenker und wird anschließend zum Wandfuß abgelassen.) individuell nach Zielgruppe folgende Sicherungsgeräte:

  • HMS-Sicherung
  • Tuber-Sicherung
  • Autotubes (Bremskraftverstärker): Smart, Click-up, MegaJul, Ergo od. Ähnliches
  • Halbautomaten (Grigri od. Ähnliches)

Die Verantwortung von Ausbildern (Bergführer, Trainer, Instruktoren und Übungsleiter) liegt in der Darstellung der jeweiligen Risikosituationen und Vermittlung der Möglichkeiten des Einsatzes von Sicherungsgeräten  abgestimmt auf individuelle Situationen und die handelnden Personen. Es soll damit die Problematik der Mensch/Mensch- und Mensch/Material-Korrelation aufgezeigt werden.

Basis dieser Empfehlungen sind die langjährigen Erfahrungen des Ausbildungsteams in der Schulung von Anfängerinnen/Anfängern und Fortgeschrittenen jeglichen Alters sowie jugendlichen Leistungssportlerinnen und -sportlern.

 

 

Die Auswahlkriterien

Mit der Entwicklung des Kletter- und Sicherungsmaterials hat sich auch die Zahl der kletternden Personen wesentlich erhöht. Es klettern bereits Kinder ab dem dritten oder vierten Lebensjahr bis hin zu Seniorinnen und Senioren im hohen Alter. Wer darf nun Wen mit Welchem Gerät sichern?

Bei der Wahl des Sicherungsgerätes müssen neben dem Alter auch der Ausbildungsstand sowie die Erfahrung im Umgang mit Sicherungsgeräten und in Sturzsituationen (im Sportklettern durchaus gewollt!) berücksichtigt werden. Einem erfahrenen Leistungssportler etwa kann im Vergleich zu einem Kind im Anfängerstadium ein anderer Zugang bzw. Selbstverantwortung zugetraut werden.

Bei der Auswahl von Sicherungsgeräten sind daher folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Anfänger/Fortgeschrittener
  • Kind/Jugendlicher/Erwachsener
  • Unterschiede im Körpergewicht
  • (mit Einschränkung) Handkraftunterschiede

 

 

Methodik in der Anfängerschulung

Die Sicherungsbewegung stellt manchen Kletterer am Beginn vor koordinative Probleme. Aus methodischen Gründen erscheint es daher sinnvoll, die ersten Sicherungshandgriffe mit dem Tuber zu zeigen und zu erlernen:

  • Da das Seil sehr leicht durchläuft, lassen sich die relevanten Handgriffe am besten mit dem Tuber zeigen und ausprobieren.
  • Die Bedeutung des Bremshandprinzips kann am Tuber bestens geschult werden; auch das Risikobewusstsein verbessert sich dadurch.
  • Die auf Sicherungsgerät und Kletterer wirkenden Kräfte sind beim Tuber am besten spürbar
  • Die Wichtigkeit des „aufmerksamen Sicherns“ kann am Tuber bestens vermittelt werden
  • Bei der Anfängerschulung soll besonderes Augenmerk auf den Transfer der Sicherungshandlung auf das Sichern mit anderen handelsüblichen Geräten (Autotubes und Halbautomaten) gelegt werden.

Derzeit sichert eine große Anzahl von Kletterern mit einem Tuber. Falls eine Einsteigerin/ein Einsteiger beim Klettern mit Freunden mit der Tuber-Sicherung konfrontiert wird (was sehr wahrscheinlich ist), sollte sie/er die Risiken dieser Sicherungsmethode kennen.

 

Wichtiger Hinweis:

Wir weisen ausdrücklich auf das erhöhte Risikopotential bei Verletzung des Bremshandprinzips – Sicherungshand lässt das Sicherungsseil aus – im Falle eines Sturzes hin. Diese Situation wird unweigerlich zum Bodensturz des Vorsteigers führen.

 

Dieser Problematik muss in der Anfängerschulung durch Hintersicherung (2. Sicherungsperson hält zusätzlich das Sicherungsseil locker als backup!) entgegnet werden.

 

Die Naturfreunde empfehlen damit  in der Anfängerschulung aus methodisch-didaktischen Gründen die Verwendung des Tubers  mit Hintersicherung durch eine 2. Sicherungsperson. Die Dauer dieser Anfängerschulung/die Verwendung des Tubers mit Hintersicherung wird je nach Kletterer/In individuell verschieden sein und kann/soll vom Ausbilder/Trainer bestimmt werden.

Nach Schulung der Grundlagen soll umgehend das Sichern mit Autotubes und Halbautomaten unter denselben Gesichtspunkten gelehrt werden.

 

Vorteile des Unterrichtens mehrerer Sicherungsgeräte (Tuber, Autotubes und Halbautomaten) sind die Erhöhung der Beurteilungskompetenz und die Vorbereitung auf eine kompetente Auswahl und Anwendung einer Sicherungsmethode (anstatt einer Automatisierung eines Sicherungsgerätes).

Sind diese Lehrinhalte (incl. Vor- und Nachteile die einzelnen Sicherungsgeräte) und das notwendige Risikobewusstsein vermittelt scheint ein umgehender Umstieg gemäß nachfolgenden Empfehlungen sinnvoll.

 

Sicherungsprinzipien

Jedes Sicherungsgerät bedarf einer bestimmten Handhabung, welche einerseits vom Hersteller empfohlen wird andererseits aus der Entwicklung der Sicherungsmethoden entstanden ist. Der risikobewusste Einsatz eines bestimmten Sicherungsgerätes setzt das Studium der speziellen Handhabung und das Erlernen und Berücksichtigen allgemeiner Sicherungsgrundlagen voraus. Im Besonderen sei hier auf die Dreibein-Logik (Walter Britschgi, „Begreiflich. Sicherheit beim Sportklettern. Handbuch für Anfänger, Fortgeschrittene, Ausbilder“, Eigenverlag, Sarnen, 2004) hingewiesen:

 

Bremsmechanik des Gerätes

"Die einwandfreie Funktion jedes Sicherungsgerätes ist nur dann gewährleistet, wenn die Bremshand am Bremsseil und je nach Gerät korrekt positioniert ist. (Britschgi 2004, 22)

Bremshandprinzip

„Beim Sichern des Kletterpartners muss die Bremshand immer das Seil umgreifen. Dabei sollte die Bremshand geschlossen und entspannt sein, sowie das Seil von der Bremshand straff zum Gerät führen." (Britschgi 2004, 22)

 

Reflexe des Menschen

"Reflexe sind fest verankerte Schutzreaktionen. Dabei kontrahieren die Muskeln ohne bewusste Steuerung.”(Britschgi 2004, 21).

Dieses Wissen über Reflexe soll in die Schulung der Sicherungstechnik und Auswahl der Sicherungsgeräte unbedingt miteinfließen.

 

 

Wer soll welches Sicherungsgerät verwenden?

a) Kinder/AnfängerInnen/bis ca. Schulalter (entsprechend der individuellen Entwicklung):

Bedingungen: keine Erfahrung im Sichern, Übernahme von Selbstverantwortung (Verantwortungsübertragung) nicht möglich

Empfehlung: HMS vom Fixpunkt mit Hintersicherung durch eine dritte Person, eventuell mithilfe einer vierten Person zum Seileinziehen

Begründung:

  • Variables Handling durch mehrere Kinder möglich
  • Beste Übersichtlichkeit für die Aufsichtsperson (InstruktorIn/TrainerIn)
  • 3-4 Kinder können unter Aufsicht beschäftigt werden

b) Kinder/Jugendliche - AnfängerInnen ab ca. Schulalter (entsprechend der individuellen Entwicklung):

Bedingungen: geringe Erfahrung im Sichern, Übernahme von Selbstverantwortung (Verantwortungsübertragung) nur sehr eingeschränkt möglich

Empfehlung: Autotubes, mit Hintersicherung durch eine dritte Person

Begründung:

  • Festigen des Bremshandprinzips
  • Aufbau einer Sicherungsroutine

c) Erwachsene - AnfängerInnen

Bedingungen: geringe Erfahrung im Sichern, Übernahme von Selbstverantwortung (Verantwortungsübertragung) nach Wissensvermittlung und praktischer Einschulung möglich

Empfehlung: Autotubes, Halbautomaten

Begründung:

  • Festigen des Bremshandprinzips
  • Aufbau einer selbstverantwortlichen Sicherungsroutine
  • Problematiken der Halbautomaten können vermittelt; der Sicherer kann damit selbstverantwortlich umgehen

d)  Jugendliche/Erwachsene – erfahren & trainiert

Bedingungen: Unbedingte Voraussetzung ist die bewusste Übernahme von Selbstverantwortung; das Sichern und Halten von Stürzen muss beherrscht werden.

Empfehlung: Tuber, Autotubes, Halbautomaten

Begründung:

  • Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Geräte wurden gelernt und verstanden; mit den Geräten wurde bereits trainiert.

e)  Sichern eines Vorsteigers bei gravierenden Gewichtsunterschieden

Bedingungen: Kletterer ist wesentlich leichter als Sichernder

Empfehlung: Tuber

Begründung: Bei einem Sturz soll vom (sehr geübten) Sichernden eine Kombination von körper- und gerätedynamischer Sicherung möglich sein.

Bedingungen: Kletterer ist wesentlich schwerer als Sichernder

Empfehlung: Siehe b) – d) mit zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen wie Erhöhung der Reibung durch z.B. Umlenkung des Kletterseiles im Bereich der 1. Express (Express der Nachbarroute einhängen!)

 

Resümee

Entscheidend ist, dass beim Klettern stets die Komplexität der Sicherungshandlung berücksichtigt wird.

Die wesentlichen Faktoren, die den Ausgang eines Sportklettersturzes bestimmen, sind

  • die Bewusstheit des vorhandenen Risikos,
  • die Funktionsweise und die richtige Handhabung des Sicherungsgerätes sowie
  • die Aufmerksamkeit der handelnden Personen.

Bei den Sicherungsgeräten scheint die allgemeine Tendenz in Richtung Autotubes und halbautomatische Sicherungsgeräte sinnvoll zu sein. Vor allem ist hier eine Weiterentwicklung in Richtung Bedienerfreundlichkeit und „Sicherheit“ zu erwarten.

Eine der vielen Möglichkeiten zu sichern.
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