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Faszination Eisklettern

Jede/jeder kann eisklettern! Es kommt nur darauf an, ob die gewählte Herausforderung auch zum Können passt. Das meint der Extremkletterer Albert Leichtfried, der im folgenden Artikel die wesentlichen Facts zum Thema Eisklettern zusammenfasst.

Das funkelnde Glitzern rund um mich herum passt ganz gut zu meinem Gesichtsausdruck. Die Sonne strahlt auf das tief gefrorene Eis und bringt es in den verschiedensten Farben zum Leuchten. Leicht finden die Eisgeräte an der etwas aufgeweichten Eisoberfläche Halt. Der Weg bis ganz nach oben ist frei, die Schwierigkeiten sind bewältigt. In mir macht sich ein Gefühl der absoluten Zufriedenheit breit. Ich befinde mich weit weg von meiner Heimat, doch ich fühle mich wie zu Hause. Ich hänge in einer der unglaublichen Eisformationen am Lyngenfjord im polaren Norwegen. Der Weg durch die fragile Eisformation war genauso schwierig wie beeindruckend.

 

Oft stellt man mir die Frage, was denn am Eisklettern so besonders sei. Mit der Beschreibung solcher Erlebnisse kann ich diese Frage am besten beantworten – für mich geht es um das Abenteuer in seiner natürlichsten Form. Zum einen bietet das Eisklettern die Möglichkeit, in der winterlichen Natur unterwegs zu sein, ohne bleibende Spuren zu hinterlassen. Zum anderen fordert es eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst und vor allem mit der Natur und dem Respekt für die Natur. Die körperliche und mentale Fitness spielen eine große Rolle, aber auch das Verständnis, die Zeichen der Natur so lesen zu können, um zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Dann kann man solche Abenteuer mit Freude und ohne Sorge bestehen. Diese Kombination der sich immer wieder neu gestaltenden Herausforderungen macht für mich die Faszination am Eisklettern aus.

 

Doch alles, was groß werden soll, muss zuerst einmal klein anfangen. Um das Eisklettern in der Art und Weise erleben zu können, wie ich es erlebe, braucht es schon einiges an Übung und Erfahrung. Dieser Artikel soll helfen, den Weg zur Faszination Eisklettern zu erleichtern.

 

Die ersten Schritte im Eis

Für wen ist Eisklettern geeignet? Nun, diese Frage lässt sich nur allzu leicht beantworten. Jede/jeder kann eisklettern! Es kommt nur darauf an, ob die gewählte Herausforderung auch zum Können passt. Eine umfassende Sportkletter- bzw. Alpinkletterausbildung sowie Felsklettererfahrungen sind natürlich von großem Vorteil, wenn man eisklettern will.

 

Durch die laufende Weiterentwicklung der Eisklettermöglichkeiten sind in den letzten Jahren zahlreiche Gebiete für die ersten Schritte im Eis entstanden. Fernab von den objektiven Gefahren eines alpinen Eisfalles und oft mit Sicherungsmöglichkeiten am Fels neben dem Eis kann man sich in Eisklettergärten die Grundkenntnisse am leichtesten aneignen. In eigenen Kursen - zum Beispiel der Naturfreunde Österreich - kann man die Klettertechniken sowie alles über die Eisbeschaffenheit und die Gefahren beim Eisklettern lernen.

 

Die Basis des Erfolgs: die richtige Ausrüstung 

Im Vergleich zu einem Sportkletterrucksack fällt ein Eiskletterrucksack um einiges größer und schwerer aus. Die passende Ausrüstung und deren richtige Verwendung sind die Grundlage für die Freude am Eisklettern.

 

Klettergurt 

Es gibt bereits spezielle Gurte zum Eisklettern. Ähnlich wie beim Alpinklettern ist eine angenehme Konstruktion wichtiger als das ultimative Leichtgewicht. Gutes Materialmanagement am Klettergurt ist eine ebenso wichtige Grundlage für das leichte Setzen der Eisschrauben aus der Kletterposition.

 

Materialkarabiner 

Der Klettergurt sollte mit fix angebrachten Materialkarabinern ausgestattet werden. Für eine genaue Positionierung sind Kabelbinder oft hilfreich. Je nach Hersteller und System finden mehr bzw. weniger Eisschrauben pro Karabiner Platz, alternativ dazu bieten sich Köchersysteme an.

 

Eisschrauben 

      10-14 Eisschrauben in verschiedenen Längen gehören für die Begehung eines alpinen Eisfalles zur Grundausstattung. Für das Bohren von Abalakov-Eisuhren empfiehlt sich eine Eisschraube mit über 20 cm Länge. Für Zwischensicherungen und am Stand ist die Standardlänge 16 cm. Neueste Modelle haben verschiedene Kurbelsysteme zur Beschleunigung des Eindrehens.

 

Abalakov-Fädler 

Ein stabiler, scharfer Haken bzw. ein kleines Messer zum Fädeln von Eisuhren für das Abseilen gehören ebenfalls zur Grundausrüstung.

 

Handschuhe 

Den optimalen Handschuh zum Eisklettern gibt es nicht. Es muss immer ein Kompromiss zwischen Performance/Grip (dünn) und Wärme (dick wattiert) geschlossen werden. Bei längeren Eisfällen verwende ich beim Sichern ein Paar warme Handschuhe, und fürs Klettern nehme ich zum Wechseln 2-3 Paare dünne Handschuhe mit; werden Handschuhe nass, kann ich sie gleich gegen trockene tauschen.

 

Halbseile/Einfachseile 

Beim Eisklettern in alpinen Eisfällen hat sich wie beim alpinen Felsklettern die Halbseiltechnik durchgesetzt. In Eisklettergärten oder schwierigen Mixedrouten klettere ich meist mit Einfachseilen.

 

Steigeisen 

Moderne Steigeisen zum Eisklettern sind speziell für das Steileisklettern konzipiert. Sie sind stabil und ergonomisch geformt, der Winkel der Frontalzacken ist für steiles Eis ausgelegt.

 

Antistollplatten erhöhen die Sicherheit bei Zu- und Abstiegen. Wichtig ist die optimale Anpassung an die Bergschuhe. Zum Steileisklettern sind am besten Bindungssteigeisen geeignet.

 

Die Wahl, ob man Steigeisen mit Mono- oder Dualzacken verwendet, hängt ganz vom Einsatzbereich und von persönlichen Vorlieben ab. Monozacken sind eher für den Mixedklettereinsatz bzw. für flexible Bewegungen im steilen Eis zu bevorzugen, während Dualzacken dem Einsteiger mehr Stabilität geben und auf wenig strukturiertem Eis von Vorteil sind. Ich selbst bevorzuge Monozacken.

 

Steileisgeräte 

Bei den Steileisgeräten wurde in den letzten Jahren enorme Entwicklungsarbeit geleistet, um den Kletterkomfort zu erhöhen. Ergonomisch geformte Pickelschäfte und Griffe bringen eine gute Performance und deutlich weniger Ermüdung in den Armen im steilen Eis und in schwierigstem Mixedgelände. Fabrikfertige Hauen sind bereits auf die verschiedensten Einsatzbereiche gut abgestimmt. Ein Nachfeilen der Hauen erhöht die Performance und minimiert die Sprengwirkung im Eis.

 

 

Tourenplanung und Taktik 

 

Wetterverhältnisse 

Eisklettern ist stark vom Verlauf der Witterungsverhältnisse im gesamten Winter sowie vom aktuellen Wetter abhängig. Vor allem der Einfluss der Temperatur und Sonnenstrahlung auf die jeweilige Formation sowie die Farbe des Eises müssen vor jeder Eisklettertour genauestens beurteilt werden. Temperaturen unter -10 °C und über 0 °C, extreme Temperaturschwankungen, starke direkte Sonneneinstrahlung und große Anteile an weißem Eis sind als kritisch anzusehen.

 

Lawinensituation 

Eisfälle und deren Zu- bzw. Abstiege liegen oft in lawinengefährdeten Rinnen und Hängen. Meist reichen bereits wenige Zentimeter Neuschnee, um die potentielle Lawinengefahr deutlich zu erhöhen. Die Lawinensituation muss daher stets in die Planung mit einbezogen werden. 

 

Taktik 

Die Wahl der Kletterlinie sowie das taktisch richtige Positionieren der Eisschrauben erfordern einiges an Erfahrung. Prinzipiell sollte stets die objektiv sicherste bzw. am leichtesten erscheinende Linie gewählt werden. Eisschrauben sollten in stabilen Kletterpositionen bereits vor den schwierigen Kletterpassagen gesetzt werden. Um ein Ausdrehen aus der stabilen Kletterposition zu vermeiden, werden Eisschrauben stets in Hüft-, maximal in Brusthöhe gesetzt.

 

Technik 

Eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Klettertechniken würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Paralleltechnik, Diagonaltechnik und deren Mischformen bzw. speziellen Bewegungen für das Mixedklettern.

 

Text und Fotos von Albert Leichtfried, Extremkletterer, Berg- und Skiführer, Meteorologe

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