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Vom Stollen in den Flagship-Store

Das Smartphone ist heute unser treuester Begleiter. Und dennoch wissen die wenigsten, woraus dieses praktische Gerät besteht. In diesem Beitrag geht es aber nicht um technische Rafinessen, sondern vielmehr darum, dich auf eine Reise um den Globus mitzunehmen. Wir wollen herausfinden, welche Rohstoffe für ein Smartphone nötig sind und wie es den Menschen ergeht, die in der Handyproduktion im Einsatz sind.

Text: Linda Mauksch und Theresia Tschol-Alsantali, Naturfreundejugend Österreich, Fotos: Fairphone

 

 

Ein Handy besteht grob gesagt aus 60 Prozent Kunststoff und 30 Prozent Metall, der Rest aus Glas oder Keramik. Im Folgenden widmen wir uns einigen Metallen, die in Smartphones verbaut werden. Für ein Mobiltelefon braucht man etwa 30 verschiedene wie Aluminium, Kupfer, Kobalt, Palladium oder Germanium. Gold wird aufgrund seiner Eigenschaften wie elektrische Leitfähigkeit und Korrosionsbeständigkeit gerne für die Leiterplatte und Steckerverbindungen genutzt. Es wird vorrangig in Südafrika abgebaut, aber auch in Lateinamerika und Indonesien. Die Minen erstrecken sich oftmals über Kilometer. Die darüber liegenden Wälder werden abgeholzt, der Boden darunter wird durch den Einsatz von Chemikalien für immer zerstört. So verwendet man Zyanid, um Gold vom Gestein zu trennen. Dieses Gift gelangt mit dem Grundwasser auch in die Flüsse und tötet dort jegliches Leben. Das Wasser ist weder trinkbar noch für die Landwirtschaft nutzbar.

 

Ein weiterer unersetzlicher Rohstoff für Smartphones ist Tantal. Dank seiner hohen Hitzebeständigkeit eignet es sich besonders gut für den Bau von Kondensatoren, kleinen „Zwischenspeichern“ für elektrische Energie. Damit auf so beengtem Raum eine so hohe Leistung – etwa für hochaufgelöste Videos – erbracht werden kann, ist dieses Metall unabdingbar. Eines der wichtigsten Abbaugebiete ist die Demokratische Republik Kongo. Dort erfolgt der Abbau ohne Maschinen! Die Arbeits- und sozialen Bedingungen sind menschenunwürdig: Es gibt keinerlei arbeitsrechtliche Standards; obwohl die Stollen jederzeit einstürzen können, wird ohne Schutzausrüstung  gearbeitet. Wegen Zahlungen an Zwischenhändler und von (Schutz-)Gebühren verdienen die teils minderjährigen Bergarbeiter selten mehr als 1 bis 3 Dollar pro Tag. Zu wenig, um sich oder gar eine Familie ernähren zu können. Aufgrund des unregulierten Abbaus üben die ehemaligen Bürgerkriegsparteien weiterhin Einfluss auf die Minen aus. Die größeren Förderstellen werden vielfach von Paramilitärs kontrolliert. Gewalt und Kriminalität, vor allem auch gegen Frauen und Kinder, sind an der Tagesordnung.

 

 

Die Reise geht weiter

Nachdem die Metalle mittels Chemikalien und hohem Energieaufwand vom Gestein getrennt wurden, geht es an das Zusammensetzen der einzelnen Teile zu einem Handy. Dazu führt uns unsere Reise nach Asien zu den Zulieferern der bekannten Handymarken. In riesigen Fabrikshallen etwa in China oder Indien verrichten Hunderttausende FließbandarbeiterInnen ihre monotone, streng getaktete Arbeit. Arbeiter in Indien etwa können mit ihrem Gehalt keine Familie gründen. Sie können weder die Mitgift für die Braut aufbringen, noch sich eine angemessene Wohnung leisten. Zwölf-Stunden-Tage sowie mehrere Arbeitswochen hintereinander ohne freien Tag sind hier nichts Besonderes.

 

Die Handys in unseren Läden werden mit glänzender Reklame beworben. Kein Staubkorn erinnert an die katastrophalen Bedingungen, unter denen jene Bestandteile aus der Erde geholt wurden, welche die angepriesenen Funktionen erst ermöglichen.

 

 

Das Ende des Lebenswegs?

Allein in Österreich fristen schätzungsweise mehr als sieben Millionen ausgediente Handys ihr Dasein in einer Schublade. Jene Mobiltelefone, die entsorgt werden, schlagen in vielen Fällen einen ebenfalls unrühmlichen Weg ein: Trotz Ausfuhrverbot werden laut Elektroaltgeräte-Koordinierungsstelle allein aus Österreich ca. 15.000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr illegal nach Westafrika oder Asien exportiert. Verfolgt man die Spur, stehen die Chancen gut, auf einer der weltweit größten Müllhalden für Elektromüll zu landen: in Agbogbloshie, einem Stadtteil der ghanaischen Hauptstadt Accra, einem der am stärksten verseuchten Gebiete der Erde. Wer sich dort umsieht, findet einen Fluss vor, dessen von Cadmium, Quecksilber und Blei vergiftetes Wasser niemand zu berühren wagt. Gruppen von Jugendlichen brennen mit einfachsten Hilfsmitteln die noch verwertbaren Teile, beispielsweise aus Kupfer, aus den Geräten. Es verwundert wenig, dass in dieser Region die Raten von Atemwegserkrankungen, Leberschäden, Krebs und Fehlgeburten weit über dem Durchschnitt liegen.

 

 

Silberstreifen am Horizont

Auf unserer Reise von den Ursprüngen eines Smartphones bis hin zum Ende seines Lebenswegs sind wir unfassbarer Naturzerstörung und massiven Menschenrechtsverletzungen begegnet. Und nun? Was können wir anders machen? JEDE(R) kann etwas tun: etwa sein Handy so lange wie möglich nutzen und kaputte Handys reparieren (z. B. mithilfe von Anleitungen von ifixit.com). Oder sich für ein faires Smartphone entscheiden. Die Initiative Fairphone geht die ökologischen und sozialen Probleme entlang der Wertschöpfungskette an (fairphone.com).

Zu den Autorinnen

Die Wahl-Vorarlbergerinnen Theresia und Linda, beide 33 und mit akademischer Ausbildung im Bereich Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement, beschäftigen sich beruflich mit dem Thema sozial- und umweltverträgliches Wirtschaften. Ihr Interesse an der Herkunft von Produkten brachte sie 2016 dazu, Workshops für Jugendliche zu entwickeln, um sie für die globalen sozialen und ökologischen Auswirkungen der Handyproduktion zu sensibilisieren. Durch den interaktiven, fächerübergreifenden Zugang werden die Problematiken „begreifbar“.

 

Kontakt: rohstoffdetektive@gmail.com

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